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Ingrid Berzau

Theater machen, das bedeutet für mich: Zusammenspiel, erzählen und zuhören, Spannung erzeugen, zusammen eine Situation gestalten, eine gemeinsame Richtung einschlagen, sich miteinander eines Lebensgefühls erinnern, sich annähern, auseinandersetzen, im Einklang sein, die Bühnenluft miteinander genießen.

Theater der Lebens – gelebtes Theater

Theater mit alten Menschen? Mein persönlicher Ansatz. 

Von Ingrid Berzau

Ich hatte eine Omi (väterlicherseites) und einen Opa (mütterlicherseits) und eine Großtante, der ich, die mir sehr nahe waren. Es waren ausgesprochen gute und unbefangene Beziehungen. Und kreative Beziehungen in dem Sinne, dass die Begegnungen in mir Neugier weckten und ich mich zugleich in einem gegenseitigen Vertrauen geborgen fühlte, auch wenn mir das nicht bewusst war. Und alle drei meiner Ahnen konnten anschaulich erzählen. Einer Stimme aus anderen Zeiten zu lauschen, das war wie eine Tür öffnen in eine andere Welt. Bilder und Vorstellungen wurden in mir geweckt, Fragen taten sich auf, Verwunderung entstand – alles Voraussetzungen für meine spätere Theaterarbeit. Ich bin 1952 geboren, wie ich finde, immer noch ein Nachkriegskind, eng verbunden mit dem Erleben der großen Ereignisse des 20. Jahrhunderts meiner Eltern- und Großelterngeneration.

1982 lernte ich das Freie Werkstatt Theater kennen und hatte die große Chance, mich in diesem sehr renommierten freien Theater als Schauspielerin, Theater- und Tanzpädagogin künstlerisch zu verwirklichen. 1984 durfte ich in das Pionierprojekt Altentheater des FWT einsteigen, das seit 1979 als erstes seiner Art unter der Leitung von Dieter Scholz und Edelgard Seebauer bestand. 1986 übernahm ich mit Dieter Scholz die Gesamtleitung des Theaters und hatte so das Glück, mit dem Pionier Dieter Scholz, also dem Mitgründer des Theaters und des Altentheaters zusammenzuarbeiten und die Arbeit weiter auszubauen.

Die Grundidee und Konzeption des FWT überzeugte mich. Die Möglichkeit, sich einer Theaterarbeit hinzugeben, die bestimmt war von der Suche nach neuen Ausdrucksformen, alternativen Spielorten und experimentellen Arbeitsformen, faszinierte mich. In über 20 Produktionen stand ich selbst auf der Profibühne, vor allem mit eigenen Stückentwicklungen oder Romandramatisierungen. Projekte mit Nichtprofis gehörten von Anbeginn an zum Konzept und waren ein Teil des Spielplan. Auch das faszinierte mich– das FWT begann ja als ein Modellversuch Künstler und Schüler mit Theaterarbeit in Schulen – später gab es beispielsweise ein Mütter-Töchter Projekt, ein Arbeitslosenprojekt, ein Multikultiprojekt – und kontinuierlich das Altentheater.

Meine Ausbildung als Tanzpädagogin und Schauspielerin bot mir eine gute Ausgangsposition, doch die Herausforderung, künstlerisch mit alten Menschen zu arbeiten, war neu. Ich machte die Erfahrung, dass ältere Menschen es ganz genau wissen wollen. Dass sie im Alter in der Regel eine Lebensentscheidung treffen, noch einmal und das, so lange es geht, etwas Ungewöhnliches und Neues zu wagen – eine Bühne betreten, die sie ins Rampenlicht rückt, die ihnen Kommunikation mit allen Generationen ermöglicht, die sie herausfordert.

Als ich die Theaterarbeit 32 jährig begann, waren die „Alten“ meine Großelterngeneration, allmählich mutierten sie zur Elterngeneration, jetzt ist die Jüngste ein paar Monate jünger als ich. Das verändert zwar nicht die professionelle Beziehung Theaterleitung – Darsteller, aber den persönlichen Kontext der Lebenserfahrung. Meine künstlerische Arbeit ist vom Interesse am Menschen in seiner ganz persönlichen Eigenart, seinem Ausdruckspotential, seiner Lebensgeschichte im Kontext der erlebten Zeitgeschichte geleitet.

Die Theaterarbeit hat Voraussetzungen. Zunächst ist es die Bereitschaft, sich einzulassen, auf eine gemeinsame Reise zu gehen. Dabei entsteht Nähe, aber in künstlerisch geschütztem Raum, der immer die Distanz des Privaten wahrt.  Geheimnisse können anklingen, manches offenbart sich und findet seine Entsprechung auf der Bühne. Das Echo im anderen Menschen finden auf einer künstlerischen Ebene – das ist beglückend und wertvoll für beide Seiten.

 

Das Experiment Kunst wagen, das ist ein Kernsatz von Dieter Scholz und er trifft ins Schwarze.

Die Entwicklung eines Theaterstückes, das auf der Lebenswirklichkeit älterer und alter Menschen aufbaut, ist ein aufregendes Unternehmen. Gilt es doch, Authentizität und Bühnenwirksamkeit in Einklang zu bringen, aus spielerischem Training und Improvisationen Themen und Ideen für Szenen zu filtern, diesen in weiteren gemeinsamen oder individuellen Proben weiter nachzuspüren und letztendlich bühnenwirksame Szenen daraus zu erstellen. Im endgültigen Produkt die Arbeit an der Ausgewogenheit im Ensemble, so dass im endgültigen Produkt, dem Theaterstück, jede/r eine Stimme bekommt, die Gruppe und der Einzelne wirkt.

Die Kontinuität unserer Altentheaterarbeit ist eine Besonderheit. Jahrelang werden die Stücke im Programm gehalten, also Vorhandenes gepflegt und weiterentwickelt und parallel Neues  angegangen. Die Qualität der Aufführung erhalten und steigern– vor welchem Publikum, zu welchem Anlass und auf welcher Bühne auch immer – ist gemeinsames Anliegen von Ensemble und Leitung.

Über die Jahre hatte ich immer wieder die Möglichkeit, in Alteneinrichtungen Theaterprojekte zu initiieren und zu begleiten. Von 1988 – 1991 führte das Freie Werkstatt Theater ein Fort- und Weiterbildungsprojekt für in der Altenarbeit Tätige durch.  Einige dieser Projekt fanden in Altenheimen statt. Das Theaterspiel mit Hochbetagten und Pflegebedürftigen läuft unter anderen Vorzeichen.  Über spielerische Kommunikation, kreative Bewegung werden Erinnerungen an Situationen, Gefühle und Geschichten  freigesetzt.  Selbst kleine Aufführungen, die weitgehend spontanen Charakter hatten und von den Mitarbeitern mitgestaltet wurden, waren möglich.

14. August 1952

Geboren in Köln

Schulzeit in Remscheid-Lüttringhausen, München und Wien

Studium Tanzpädagogik bei Rosalia Chladek an der Musikhochschule Wien

Studium Rhythmisch-musikalische Erziehung an der Musikhochschule Köln

Freiberufliche Bewegungspädagogin und Choreographin

Lehrauftrag Bewegungspädagogik und Improvisation an der Musikhochschule Köln für das Rhythmikseminar und die Opernschule

Ab 1984

Tätigkeit als Schauspielerin, Regisseurin, Theater- und Tanzpädagogin am Freien Werkstatt Theater

1986

Leitung des Freien Werkstatt Theaters zusammen mit Dieter scholz

2010

Verleihung des Bundesverdienstkreuz

2012

Übergabe der Gesamtleitung des Freien Werkstatt Theaters, weitere Leitung des Altentheaters bis 2022

2022

Ingrid Berzau wird 70

Fotos von oben nach unten und von links nach rechts:

  1. Meyer Originals
  2. Bildrechte der Fotos in der Bilderstrecke sind dort separat vermerkt.