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Dieter Scholz

Theaterspielen ist ein flüchtiges Unternehmen wie das Leben, es geschieht hier und jetzt, und je intensiver man jetzt lebt, umso mehr ist man gerüstet für später.

Wer in vielen Proben zusammen mit anderen ein eigenes Theaterstück entwickelt, es zur Aufführung bringt, Beifall, Anerkennung und Kritik erfährt, damit auf Gastspiel auch in andere Länder fährt, es vor Zwölfjährigen und in Altenheimen spielt, ist gerüstet für den Dialog zwischen den Generationen und Nationen, zeigt Interesse, bleibt aktiv, guckt über den eigenen Tellerrand, setzt sich mit sich und der Umwelt auseinander, übt Kritik und Selbstkritik, gewinnt Distanz, entwickelt Selbstironie, nimmt sich lustvoll selbst auf die Schippe und gewinnt damit die Zukunft.

1937 in Niederschlesien geboren und von den kulturell interessierten Eltern geprägt, entdeckte Dieter Scholz früh seine Liebe zum Theater. Nach der Schulzeit in Thüringen und Ravensburg und dem Studium der Germanistik und Romanistik in Tübingen und Berlin, absolvierte er die Schauspielschule in Wiesbaden und war dort als Schauspieler am Hessischen Staatstheater, später auch in Ulm engagiert. In den 70iger Jahren kam er an die Städtischen Bühnen Köln, arbeitete zeitweise als Grundschul-Referendar und führte als stellvertretender Projektleiter den bundesweiten, dreieinhalbjährigen Modellversuch „Künstler und Schüler“ durch.

Aus dem Kölner Modellprojekt entwickelte sich das Freie Werkstatt Theaters (FWT) in der Südstadt. Am Zugweg 10 war Dieter Scholz seitdem als Schauspieler, Regisseur und (bis 2012) als Theaterleiter aktiv. 1979 gründete er mit Edelgard Seebauer das erste Altentheater der Bundesrepublik, das er mit Ingrid Berzau bis Ende 2022 über 40 Jahre lang leitete und begleitete.

Alte Leute haben den Schatz von Erlebnissen und Erfahrungen einer langen Lebensspanne – also Inhalte und Geschichten – und sie sollten diese mit geeigneten, zum Teil noch zu entwickelnden künstlerischen Mitteln und Methoden und ihren eigenen künstlerischen Ausdrucksformen darstellen können. Fast von Beginn an ist Dieter Scholz als Vermittler innerhalb von Modellprojekten, Fortbildungen und Workshops engagiert. Altentheater experimentiert modellhaft, mit welchen theatralen Mitteln ältere und alte Menschen als Vermittler eigener Erlebnisse, Wünsche und Vorstellungen anhand eigener Darstellungsformen sich erfahren und von anderen erlebt werden können. Jung und Alt zusammenzubringen, das gelingt in Projekttagen, mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Altersstufen und Schulformen.

Schon 1991 bahnen Dieter Scholz und Ingrid Berzau die ersten internationale Kontakte mit England, Frankreich und den USA an. Es folgt die Teilnahme an und Ausrichtung vieler Festivals. 1992, kurz nach dem Mauerfall, begibt sich das „Jahrhundertrevue“-Ensemble zusammen mit der Spätlese Frankfurt/Oder mit einer gemeinsamen, erweiterten „Jahrhundertrevue“ auf eine Tournee durch Brandenburg. Ein Höhepunkt ist das Erste Welt Altentheater Festival im Oktober 1999 unter dem Motto „Das ist mein Leben“ mit 18 Gruppen aus vier Kontinenten im Gürzenich Köln.

1995 erhält Dieter Scholz für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz.
2007 wird er mit dem Kölner Ehrentheaterpreis ausgezeichnet.

Credo Dieter Scholz

Beispielgebend und anregend erleben kann man hier, wie ältere und alte Menschen spielerisch Körper und Phantasie in Bewegung setzen und dabei voller Lust und Spaß mit Kraft und Ausdauer Erinnerungen verlebendigen, gegenwärtiges Leben in seiner Vielfalt nachvollziehen, Bilder und Szenen über die Zukunft entwerfen. Hier heißt es mit hoher Konzentration die Gefühle vom Lachen bis zum Ausbruch der Tränen zu aktivieren, mit Mimik, Gestik und Stimme in ein Spiel mit sich selbst, mit dem Partner, mit dem Ensemble, mit dem Publikum einzutreten. Dabei phantasieeinengende körperliche oder durch Erziehung und Normen gesetzte Grenzen zu überschreiten und ausdrucksfördernde Mittel wie Tanz, Gesang, Musik, Kostüm, Bühnenbild, Bühnenlicht und Requisiten mit einzubeziehen.

Man trifft sich mindestens einmal pro Woche, oft zweimal, mitunter öfter. Es wird erzählt, diskutiert, was in der oft nur kurzen Zwischenzeit von ein bis fünf Tagen alles los war, was einem passiert, begegnet ist, d.h. das Kurzzeitgedächtnis wird in Gang gesetzt, die Offenheit gegenüber den anderen sich zu artikulieren und zuzuhören geübt, man zieht sich um, trinkt was, und beginnt angeleitet ein theatralisches Training, das einen ganz in die lebendige Körperlichkeit des Hier und Jetzt versetzt, vom kleinen Zeh bis zu den Haarspitzen.

Wer dabei in sich das Kindsein entdeckt, erinnert sich, wie man früher mit der Hand Kühe gemolken hat oder Kartoffeln gelesen, wie man eine Dorfhochzeit gefeiert hat oder im Luftschutzkeller saß. Wer in sich Jugend und Älterwerden wiederentdeckt, lässt erste Liebe, Bluestanzen und Familiengründung wieder lebendig werden.
Aktivierung von Erfahrungswissen Älterer und Alter künstlerisch gestaltet, kulturell eingebracht in die gesellschaftliche Wirklichkeit von heute: Erfahrung mit Krieg, politischer Verführung, Widerstand, Mitläufertum, Flucht, Vertreibung, Hunger, Wiederaufbau, Wohlstand, Vollbeschäftigung, aber auch Arbeitslosigkeit, Rentnerdasein, Altersglück und Alterseinsamkeit, Rückzug oder Aufgeschlossenheit gegenüber dem aktuellen Geschehen in aller Welt, Erwartungen an die Zukunft, Nähe zum Tod. Was macht man mit all der Erfahrung, verstummt man, wird verbittert oder wird weise und zieht sich heiter zurück?

Wer in vielen Proben zusammen mit anderen daraus ein Theaterstück erstellt, es zur Aufführung bringt, Beifall, Anerkennung und Kritik erfährt, damit auf Gastspiel auch in andere Länder fährt, es in immer wieder neuen Szenenkombinationen vor Zwölfjährigen und in Altenheimen spielt, ist gerüstet für den Dialog zwischen den Generationen und Nationen, zeigt Interesse, bleibt aktiv, guckt über den eigenen Tellerrand, setzt sich mit sich und der Umwelt auseinander, übt Kritik und Selbstkritik, gewinnt Distanz, entwickelt Selbstironie, nimmt sich lustvoll selbst auf die Schippe, bringt auch eigene Wünsche und Träume auf die Bühne und gewinnt damit die Zukunft.

Theaterspielen ist ein flüchtiges Unternehmen wie das Leben, es geschieht hier und jetzt, und je intensiver man jetzt lebt, umso mehr ist man gerüstet für später.

01. Juni 1937

Geboren in Niederschlesien

Schulzeit in Thüringen und Ravensburg

Studium Germanistik und Romanistik in Tübingen und Berlin

Schauspielschule in Wiesbaden

Schauspieler am
hessischen Staatstheater in Wiesbaden , am Landestheater Ulm und an den Bühnen der Stadt Köln

1970er

Studium Grundschullehramt und Referendariat in Köln,

stellvertretender Projektleiter des bundesweiten dreieinhalbjährigen Modellversuch „Künstler und Schüler - Werkstatt Theater Köln“

1977

Mitbegründung und Leitung des Freien Werkstatt Theaters Köln (FWT), Tätigkeit als Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge

1979

Gründung und Leitung des Altentheaters zusammen mit Edelgard Seebauer

1990

Mitbegründung und bis 2010 Vorsitz des Dachverbands Altenkultur

1995

Verleihung des Bundesver­dienstkreuzes

2007

Verleihung des Kölner Ehrentheaterpreises

2012

Übergabe der Gesamtleitung des Freien Werkstatt Theaters, weitere Leitung des Altentheaters bis 2022

2022

Dieter Scholz wird 85

Fotos von oben nach unten und von links nach rechts:

  1. Meyer Originals
  2. Bildrechte der Fotos in der Bildstrecke sind dort separat vermerkt.